STROMKASTENPORTRAITS
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ÜBER MEINEN BLOG
Wie viele andere Menschen auch vertrieb ich mir während Corona, als es nicht möglich war, ins Museum, ins Theater, in die Oper oder ins Kino zu gehen, die Zeit damit, mir die großartige Vielfalt von Wiens Street Art anzusehen und ein wenig zu dokumentieren.
Im März 2021 bin ich dann auf Hinweis meines Sohnes das erste Mal auf ein Stromkastenportrait im 8. Bezirk in Wien gestoßen und schon bald wurden es mehr und mehr. (Die ersten Portraits sind nach aktuellem Stand ab Ende Dezember 2020 nachzuweisen.)
In meinem Blog möchte ich monatlich die neuen Zeichnungen mit Euch teilen.
Meistens befinden sich diese mit schwarzem Edding gezeichneten Portraitköpfe auf Stromkästen im Hauseingangsbereich. Anfangs gab es auch Portraits in Telefonzellen, auf Hauswänden, auf Haustüren, auf Postkästen, auf Baucontainern und ab und an auch auf Garagentoren und Blitzschutztüren.
Selten findet man sie in großen Straßen, sondern meist in kleinen Nebengassen und das in fast allen Wiener Bezirken (1., 2., 3., 4., 5., 6., 7., 8., 9., 11., 12., 13., 14., 15., 16., 17., 18., 19. & 20.)
Einzig im 10., 21., 22. und 23. Bezirk habe wir bislang noch keines entdecken können.
In der letzten Zeit kamen aber immer wieder Portraits in Herrentoiletten in diversen Wiener Alternativlokalen (Amerlingbeisl, Futuregarden, Maschu Maschu, Kleiner Schlupfwinkel, Café Frida, Café Français) und auch auf einer Damentoilette (Votiv Kino) dazu. Das würde irgendwie die Vermutung nahelegen, dass es sich um einen Mann handeln könnte mit der Freude, uns ein wenig aufs Glatteis zu führen. Außerdem wurden wir auch in Rovinj (Kroatien) und in Triest (Italien) schon fündig. Da diese beiden Destinationen nicht gerade zu den Partymeilen von 20-jährigen zählen, gehe ich auch davon aus, dass es sich bei unserer/m Künstler*in eher um jemanden um die 40+ handelt.
Vor einiger Zeit fanden wir auch ein Portrait in einem Notizblock bei Thalia, wo sie/er einen neuen Stift ausprobiert haben dürfte.
Die ausschließlich männlichen Portraits schauen alle in die linke Richtung, was vermuten lässt, dass es sich bei der/dem Künstler*in um eine*n Rechtshänder*in handeln könnte. Außerdem dürften wir es mit einem ausgebildeten Zeichenprofi (eventuell Grafiker oder Gerichtszeichner) zu tun haben, was die klare und sichere Strichführung eindeutig beweist. Als Vorbilder könnte man Hergé, Sempé oder auch den Schnellzeichner Oskar von der TV Sendung Dalli Dalli heranziehen. (Wieviele 20-jährige kennen diese noch?)
Die Portraits wurde von Jahr zu Jahr immer Detailverliebter. Bei der Wahl ihrer/seiner Portraitierten wäre interessant zu erfahren, ob sie/er die Bewohner des jeweiligen Bezirks reflektiert, da in manchen Bezirken ganz spezielle Typen (Glatzköpfe, Seitenscheiteljünglinge, Intellektuelle, Künstler, Bärtige, Langhaarige etc.) mit größerer Häufigkeit auftauchen als in anderen Bezirken. Das Durchschnittsalter der Dargestellten ist eher um die 50+ anzusiedeln und ihr Ausdruck eher meist grimmiger Natur. Die Frage ist auch: hat sie/er ein sketch book, in dem sie/er zunächst ein paar Portraits ausprobiert oder fallen ihr/ihm diese spontan ein. Zeichnet sie/er Menschen, die ihr/ihm gerade zuvor in der U-Bahn oder in der Tram ins Auge gestochen sind und dokumentier sie/er selbst auch die jeweiligen "Tatorte"?
Manchmal entstehen ganze Nester (oft bis zu 20 Portraits auf einmal), manchmal kommt auch nur ein einzelnes Portrait dazu. Da in den Bezirken 8., 9., 17. & 18. oft nur einzelne neue Portraits auftauchen, dürften das wohl Gegenden sein, in denen sich unser/e Zeichner*in regelmäßiger aufhält. Vermutlich treibt sich unser/e Künstler*in eher im Schutz der Dunkelheit und eher zu Fuß herum. Mehr als eine Minute dürfte der Profi für seine Zeichnungen auch kaum benötigen. Da die meisten der Portraits eher in Augenhöhe einer Person von ca. 180 cm Größe sind, ist davon auszugehen, dass es sich bei unserer/m mysteriösen Zeichner*in ebenfalls um jemanden dieser Größe handelt. Außerdem meidet sie/er es, öffentliche Gebäude bzw. Einrichtungen (Schulen, Banken, Telefonzellen etc.) zu verzieren, weil dort die "Reinigungstruppen" sehr schnell die Zeichnungen wieder entfernen würden. Weiters treibt sie/er sich auch verständlicherweise nie in Bereichen von CCTV herum, daher gehören auch Botschaftsvierteln oder Ministerien nicht zu seiner/m bevorzugte Wirkungsbereich. Sie/Er schätzt "cosy neighbourhoods", eher klassische Altbauten und nur ganz selten Stromkosten von Neubauten. In letzter Zeit hat sie/ihn - vermutlich durch die zunehmende mediale Berichterstattung - wieder die "Arbeitswut" gepackt und sie/er hat wieder
vermehrt Hauseingangstüren für ihre/seine Portraits entdeckt, für die sie/er auch neuerdings einen weißen Edding als Zeichenwerkzeug verwendet.
Die/der Zeichner*in möchte zwar mit seiner Kunst gesehen werde, aber dennoch unerkannt bleiben - so hat es den Anschein. Er/sie macht sich auch ungern mit anderen Taggern gemein und bleibt gerne für sich und somit exklusiv.
Das sind mal so ein paar Profilhinweise, die mir über die Jahre in den Sinn gekommen sind.
Unterstützt werde ich bei meiner Suche mittlerweile von einem mehrköpfigen "Detektiv*innen" Netzwerk, das mich immer wieder mit hilfreichen Tipps versorgt. Diesen Menschen - allen voran Stiig Gabriel - gilt an dieser Stelle auch mein ganz besonderer Dank! Viele dieser "Helfer" habe ich erst über dieses Langzeitprojekt kennengelernt.
It's a Team Effort!
2022 gab es eine Fotoausstellung von Martina Gasser & Franz Schuster in der Galerie Schaufenster Denis (Grundsteingasse), was zur Folge hatte, dass sich die/der Maler*in in den kommenden Wochen auch auf den Stromkästen der Folgehäuser verewigte, und so mit uns auf seine Art in "Verbindung" trat.
Spoiler
Weil ich oft gefragt werde: Nein, ich kenne die/den Zeichner*in nicht und nein, ich bin auch selbst nicht der Zeichner. Ich dokumentiere nur ihre/seine Arbeiten, damit auch viele andere Menschen Ihre Freude dran haben.